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Podcast #15 Hilfe annehmen lernen – Helfersyndrom loslassen

Warum wir so ein schlechtes Gewissen haben, wenn wir Hilfe annehmen sollen und warum viele Menschen unter Helfersyndrom leiden

 

Die schriftliche Version des Podcast – den Podcast hören kannst du hier. Im Interview mit Gelena Stillmann.

Was ist da los – Hilfe annehmen, Helfer Syndrom?

Hilfe! Hilfe! Hilfe! Ich kann keine Hilfe annehmen, oder aber ich helfe viel zu oft. Egal wie man es dreht, beides ist schlecht.

 Starten wir mit dem Helfersyndrom. Kaum hören manche Menschen Geschichten von Freunden oder sogar Fremden, macht es bei ihnen einfach Klick, und sie möchten unterstützen. Und das, obwohl sie gar nicht danach gefragt wurden. Simone, ist das gut, oder ist diese Eigenschaft eher schlecht und nervig?

 

Simone: Das kommt natürlich darauf an, für wen. Also für denjenigen, dem geholfen wird, ist es über einen gewissen Zeitraum natürlich nicht schlecht. Nein, aber Spaß beiseite. Das Helfersyndrom an sich ist nicht gut.

Ich weiß nicht, ob es tatsächlich als Krankheit definiert wird, aber eine Art Krankheitsbild ist es definitiv. Das bedeutet, Menschen, mit einem Helfersyndrom können gar nicht anders. Das hat einen Grund, der aus ihrer Psyche kommt: Diese Menschen müssen gebraucht werden. Sobald sie das Gefühl haben, sie werden nicht gebraucht und können nicht ihre Hilfe anbieten, fühlen sie sich schlecht.

Das hat aber auch eine große Schattenseite. Wenn ich immer helfen möchte, brauche ich natürlich automatisch jemanden, dem ich helfen kann. Und wenn derjenige aber gerade nicht da ist, fühle ich mich nicht gut. Also das Helfersyndrom ist tatsächlich sehr schwer.

Aber zählen diese Menschen, die unaufgefordert helfen, nicht einfach zu den netten Menschen? Und wäre es nicht schön, wenn es mehr von ihnen geben würde?

 

Simone: Ich stimme dir völlig zu. Es sollte deutlich mehr Menschen geben, die anderen Menschen helfen und für sie da sind.

Die Frage ist natürlich immer, aus welchem Grund heraus tun sie das? Machen sie es, weil sie es brauchen, dem anderen zu helfen? Und braucht der vielleicht gar keine Unterstützung? Dann sieht es schon wieder anders aus.

Wir dürfen also hinschauen: Wer hilft gerade und wem hilft er? Manchmal ist nämlich derjenige, dem geholfen werden soll, gar nicht bereit für diese Hilfe. Dann wird es schwierig, weil dann geben wir ihm unter Umständen das Gefühl, nicht so wertvoll oder schwach zu sein.

Also vielleicht sollte man vorher einfach um Erlaubnis fragen? Darf ich dir helfen? Wäre das eine Lösung?

 

Simone: Auf jeden Fall ist es eine Lösung, zuerst zu fragen, Aber ich würde noch einen Schritt weiter gehen und mich selbst auch fragen, warum ich jetzt gerade helfen möchte.

Ist es wirklich die altruistische Idee, dass ich etwas Gutes tun möchte? Oder liegt es vielleicht eher daran, dass ich das Gefühl habe, ich brauche dringend jemanden, dem ich helfen kann, weil ich mich gerade nicht so gut fühle? Also gebraucht zu werden, um den eigenen Schmerz nicht ertragen zu müssen.

Dann drehen wir es einfach um: Warum muss man Menschen gefühlt oft dazu „zwingen“ Hilfe anzunehmen?

 

Simone: Weil die Menschen gelernt haben, dass Hilfe anzunehmen, Schwäche ist. Das ist traurig, weil wir Menschen in Gemeinschaften leben, und da ist es eigentlich total normal, sich gegenseitig zu helfen. Aber wir lernen in dieser Leistungsgesellschaft, dass derjenige, der Hilfe annimmt, schwach ist.

Das beginnt schon mit Sätzen wie: „Ein Indianer kennt keinen Schmerz!“ „Da musst du jetzt durch!“ „Nur die Harten kommen in den Garten.“ Und viele andere Sprüche, die alle in die gleiche Richtung gehen.

Wenn du um Hilfe bittest, was sogar noch mehr als Hilfe anzunehmen wäre, dann bist du automatisch schwach. Allerdings stimmt das einfach nicht, denn Hilfe anzunehmen ist für mich eher eine Stärke. Es bedeutet: „Ich glaube, es wäre besser, wenn das jetzt zwei Leute machen würden und nicht ich allein.“

Ich denke, man benötigt Selbstbewusstsein, um zu sagen: „Ich brauche Hilfe oder kannst du mir dabei helfen, das und das zu machen?“

 

Simone: Absolut. Natürlich müssen wir uns auch ein bisschen damit beschäftigen, warum es solche Angst macht, um Hilfe zu bitten. Natürlich ist es die Angst, zu versagen oder vor dem, was andere denken könnten.

Da brauchen wir dieses Selbstbewusstsein zu sagen: „Es ist okay, wenn ich nicht alles weiß, und es ist in Ordnung, wenn ich jemanden frage, der sich vielleicht besser auskennt.“ Von dem Denken, dass ich alles wissen, können und vor allem allein machen muss, dürfen wir wegkommen. Nein, wir müssen das nicht! Wir sind viele Menschen, und wir können uns auch gegenseitig unterstützen.

Man kann es ganz leicht „lernen“, wenn man sagt: „Ja bitte, ich brauche tatsächlich Hilfe!“ Also es einfach einmal auszusprechen, oder?

 

Simone: Es auszusprechen, und vor allem die Erfahrung zu machen, wie schön es eigentlich ist, Hilfe anzunehmen.

Anfangs habe ich mich auch sehr schwer damit getan. Ich habe dann begonnen, mir jeden Tag die Aufgabe zu stellen, unterwegs nach dem Weg zu fragen, obwohl ich genau wusste, wo ich war. Man kann das durch solche schönen kleinen Tricks ein bisschen üben.

Und wie kann ich üben, wenn ich nicht mit fremden Menschen üben will? Gibt es noch andere Techniken?

 

Simone: Da fällt mir tatsächlich etwas ein. Es geht zwar nur indirekt um das Thema „Hilfe annehmen“, aber das ist ja sehr oft verbunden mit dem Thema „Sich verwöhnen lassen“, also zuzulassen, dass jemand etwas für einen tut.

Kürzlich habe ich von einem Date gelesen, bei dem die Frau die Aufgabe hatte, zu lernen, es zuzulassen, hofiert zu werden. Wir Frauen neigen sehr häufig dazu, alles übernehmen zu wollen. Wer zahlt heute? Kann ich beim Kochen helfen? Soll ich die Teller hinübertragen?

Die Dame hatte hier als einzige Aufgabe, einfach NICHTS zu tun. Es war für sie schwierig, nur dazustehen, während der Mann kochte und alle Sachen hineintrug. Sie musste sich überwinden und sagen: „Nein, ich werde jetzt mal gar nichts machen!“

Das ist natürlich extrem. Aber vielleicht hilft es dabei, zu schauen: „Wie oft mache ich Dinge, obwohl der andere eigentlich mich verwöhnen wollte?“ Das könnte auch ein Ansatz sein, einfach einmal etwas anderes auszuprobieren.

Ja, das klingt spannend.

 

Simone: Auf jeden Fall braucht man Mut, um Hilfe anzunehmen. Und das ist auch das Thema unserer nächsten Podcastfolge: „Mut und Angst, etwas zu verändern.“ Ich freue mich ganz besonders darauf, denn ich liebe Veränderungen.

Ja, dann schauen uns an, was Mut ist, und vor allem, was die Angst ist, die dahintersteckt.

Ich hoffe es hat dir Spaß gemacht, den Podcast „zu lesen“

Deine Simone

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